Russland

Gespräche auf historischem Boden

Historisches Misstrauen prägte lange das Verhältnis zwischen Polen und seinen Nachbarn Russland und Deutschland. Doch seit zwei Jahren ändert sich der Umgangston zwischen den  Hauptstädten. „Trialog“ oder „Troika“ nennen Diplomaten das neue außenpolitische Gesprächsformat, das dabei helfen soll, gemeinsame Probleme auch gemeinsam anzupacken.

Am Montag (21.2) kommen erstmals die drei Auswärtigen Ausschüsse der russischen Staatsduma, des polnischen Sejm und des Deutschen Bundestages zusammen. Auf historischem Boden – in der vormals deutschen Stadt und heutigen russischen Exklave Kaliningrad. Die gemeinsame Sitzung ist der vorläufige Höhepunkt eines neuen außenpolitischen Gesprächsformats, das in den drei Hauptstädten als „Troika“ oder „Trialog“ an Bedeutung gewinnt. Die Politiker erhoffen sich von diesem Treffen, bei dem es um die historische Aussöhnung ebenso geht wie um die Erleichterung von Visa-Verfahren, weitere Fortschritte für das Verhältnis der drei Staaten.

„Eine wichtige – wenn nicht sogar die wichtigste – Aufgabe für Deutschland, Polen und Russland ist es, sich über die Grundsätze der EU-Russland-Modernisierungspartnerschaft zu verständigen“, betont der CDU-Außenpolitiker und Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Andreas Schockenhoff. Mit der Modernisierungspartnerschaft versucht Brüssel, Russland Technik und Expertise für seine veraltete Wirtschaft zur Verfügung zu stellen und die Weiterentwicklung der Zivilgesellschaft voranzutreiben. „Diesen Dialog in Gang zu bringen und ihn offen und vertrauensvoll zu führen, ist auch eine wichtige Aufgabe für die Parlamente. Erste Kontakte zwischen den Auswärtigen Ausschüssen des Bundestages, des Sejm und der Duma hat es bereits gegeben.“

Abgeordnete aller Parteien reisen am 21.2. nach Kaliningrad: Franz Thönnes (SPD), Patrick Kurth (FDP), Sevim Dagdelen (Linke), Marie Luise Beck (Grüne) und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU).

Wladimir Grinin, seit einem halben Jahr russischer Botschafter in Berlin, ist überzeugt, dass dieses neue trilaterale Format Positives bewirken kann. Er war zuvor Botschafter in Warschau und hat die russisch-polnische Annäherung seit dem Antritt des liberalen polnischen Regierungschefs Donald Tusk vor drei Jahren mitgestaltet.

„Man hatte den Wunsch, historisch bedingte Ängste der Polen abzubauen, dass Russland und Deutschland etwas hinter dem Rücken Polens aushandeln könnten. Aus dieser Klemme wollte man heraus“, sagt Grinin. Seit dem Machtantritt von Tusk sei es zu einem Wandel zwischen Moskau und Warschau gekommen. Der russische Botschafter ist optimistisch: „Der Zustand der Beziehungen innerhalb dieses Trialogs ist dazu fähig, das gesamteuropäische Klima positiv zu beeinflussen.“

Die Initiative kommt aus Deutschland und stammt noch aus dem Auswärtigen Amt zu der Zeit des früheren Außenministers Frank-Walter Steinmeier (SPD). Dort wollte man Polen stärker als gleichberechtigten Partner in die Gespräche mit Moskau einbinden und den historisch gewachsenen Ängsten der Nachbarn begegnen. Nach dem EU-Beitritt Polens 2004 sahen deutsche Diplomaten mit Sorge, dass die guten Beziehungen zwischen Moskau und Berlin in der Amtszeit der nationalkonservativen Kaczynski-Brüder wiederholt mit Warschauer Positionen in Konflikt gerieten.

„Die trilaterale Zusammenarbeit ist ein Gebot der Vernunft“, sagt heute auch der polnische Botschafter in Berlin, Marek Prawda. Er erzählt, dass er bei ersten Gesprächen mit Steinmeier zunächst skeptisch gewesen sei. Damals ging es um die trilaterale Zusammenarbeit mit Historiker-Konferenzen in Warschau und Berlin, bei denen so sensible Themen wie der Hitler-Stalin-Pakt besprochen wurden. Seither hat auch der außenpolitische „Trialog“ an Dynamik gewonnen: Seit 2009 gab es vier Treffen der Planungsstäbe der Außenministerien und im Juli 2010 ein erstes Treffen auf Staatssekretärs-Ebene in Berlin. In Wien treffen sich die drei OSZE-Botschafter monatlich zu einem „jour fixe“.

Der polnische Botschafter Prawda sagt, dass auch die russische Anteilnahme nach dem tragischen Flugzeugabsturz bei Smolensk im April 2010 zwischen Moskau und Warschau sehr viel verändert habe. Der damalige polnische Präsident Lech Kaczynski und viele Abgeordnete waren damals ums Leben gekommen.

„Das deutsch-polnisch-russische Gesprächsformat soll das Vertrauen in die Zusammenarbeit der drei Länder nachhaltig stärken“, sagt eine Sprecherin des Auswärtigen Amts. Russland soll näher an die EU und die Nato heranrücken. Auch die drei Außenminister der Länder wollen sich dieses Jahr noch treffen – vermutlich wieder in Kaliningrad.


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