Polen

Der Kandidat, der aus dem Nichts kam

Wer ist Andrzej Duda? Diese Frage stellten sich noch vor gut fünf Monaten die meisten Polinnen und Polen. Heute ist der 42-jährige Präsidentschaftsanwärter der nationalkonservativen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in aller Munde. Denn er hat das Kunststück vollbracht, den noch vor wenigen Monaten als unschlagbar geltenden Amtsinhaber Bronislaw Komorowski beim ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen vor knapp zwei Wochen in die Schranken zu weisen. Vor der Stichwahl am Sonntag deuten Umfragen auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hin.

Anfangs ging es dem Juristen wie wohl auch seiner Partei darum, vor den im Herbst dieses Jahres anstehenden Parlamentswahlen einen Achtungserfolg zu erzielen. Deshalb nominierte man am 6. Dezember 2014 Duda: Ein Mann der zweiten Reihe, der nicht im Verdacht stand, Parteichef Jaroslaw Kaczynski innerparteilich gefährlich werden zu wollen.

Doch der EU-Parlamentarier Duda hat längst Morgenluft gewittert. Seit knapp zehn Jahren als Berufspolitiker hat er sich von den Hinterbänken der PiS-Partei nach ganz vorn katapultiert. In zwei TV-Debatten vor der Wahl am Sonntag, die hohe Einschaltquoten erzielten, hat Duda auch versucht, sich von seinem politischen Mentor, PiS-Parteichef Kaczynski, zu lösen.

Denn die Stammwählerschaft der PiS, die Duda im ersten Wahlgang gut mobilisieren konnte, reicht nicht für einen Sieg. Die unentschlossenen Wähler der konservativen Mitte sowie auch jene rund drei Millionen Polinnen und Polen, meist junge Protestwähler, die im ersten Wahlgang dem Rocksänger Pawel Kukiz ihre Stimmen gaben, halten nicht viel von Kaczynski.

Der verheiratete Familienvater Duda, der sich moderater und als Mann der einfachen Leute gibt, hat bereits als Unterstaatssekretär für den Bruder des Parteichefs, den 2010 verunglückten Präsidenten Lech Kaczynski, gearbeitet. Bei seinen Wahlkampfauftritten stellt er vor allem zu diesem eine Verbindung her: „Ich will das Werk Lech Kaczynski wieder aufrichten“, sagt er.

Überhaupt gibt sich der sympathisch, aber auch etwas bieder wirkende Duda klassisch nationalkonservativ. Seine Positionen in weltanschaulichen Fragen, wie dem jüngst kontrovers diskutierten Gesetz zur künstlichen Befruchtung, sind streng nach denen der katholischen Kirche Polens ausgerichtet.

Das Flugzeug-Unglück von Smolensk im Jahr 2010 sieht er als nicht aufgearbeitet. Gegenüber der EU und Deutschland zeigt er sich vorsichtig skeptisch. „Wenn ich irgendeine Expansion Deutschlands auf polnischem Gebiet sehe, dann ist dies wirtschaftliche Expansion“, sagte er vor kurzem. Die überaus kritische Russland-Politik Komorowskis teilt er im Prinzip, ohne dies freilich offen auszusprechen.

Doch das Thema Russland und Sicherheit spielt in dem Wahlkampf inzwischen eine untergeordnete Rolle. Die Menschen bewegen vielmehr innerpolnische Themen: Duda verspricht etwa, die vor drei Jahren beschlossene Rente mit 67 rückgängig zu machen, den Steuerfreibetrag anzuheben, um die vielen kleinen Einkommen zu entlasten – und an der heimischen Währung Zloty festzuhalten. „Ich werde solange gegen die Einführung des Euro sein, bis die Polen so viel verdienen wie die Menschen in Westeuropa“, sagt er.

Eine der Wahllosungen des ehemaligen Parlamentsabgeordneten Duda heißt „Ein würdiges Leben in einem sicheren Polen“. Wie Analysen zeigen, sind es vor allem Menschen jenseits der 50, Rentner, Geringverdiener und Menschen aus ländlichen Regionen, die Duda als Hoffnungsträger sehen. Sie dürften ihr Kreuz bei dem PiS-Kandidaten vor allem wegen des ersten Teils seines großen Versprechens machen: ein Leben in Würde.


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