Bloß keinen Ärger mit Russland
„Bitte keinen neuen Ärger mit Russland!“ So könnte das Motto des zweitägigen EU-Gipfels zur Östlichen Partnerschaft lauten, der heute in der lettischen Hauptstadt Riga beginnt. Im Vorfeld des Gipfels schlugen EU-Offizielle betont zurückhaltende Töne an und formulierten die Agenda des Treffens so knapp und vage wie möglich.
Die EU dämpft Erwartungen
Der österreichische Erweiterungskommissar Johannes Hahn dämpfte alle Erwartungen: Es werde keine Versprechen einer künftigen EU-Mitgliedschaft an die Länder der Östlichen Partnerschaft geben. Auch eine Visafreiheit für die Ukraine und Georgien werde in Riga nicht beschlossen. Das Gipfeltreffen soll lediglich, so die offizielle Formulierung im Vorfeld, ein „Zeichen dafür sein, dass die EU ihre enge Zusammenarbeit mit den unabhängigen und souveränen Partnern weiterhin fortsetzt“.
Die Östliche Partnerschaft der EU, beschlossen im Jahre 2008, um sechs ehemalige Sowjetrepubliken – Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldau, die Ukraine und Belarus – langfristig an die EU heranzuführen, hatte ihr letztes Gipfeltreffen im November 2013 in Vilnius. Kurz zuvor hatte der damalige ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch den Abschluss eines EU-Assoziierungsabkommen abgesagt und damit pro-europäische Massenproteste in der Ukraine ausgelöst, die zu seinem Sturz und später zum Krieg im Land führten. Bereits zuvor waren Armenien, Aserbaidschan und Belarus auf Druck von Russland praktisch aus dem Projekt ausgestiegen. Denn in Moskau wird das Projekt seit langem als unzulässiger Eingriff in die russische Einflusszone angesehen.
Die Östliche Partnerschaft braucht einen neuen Ansatz
Anderthalb Jahre nach dem letzten Gipfel herrscht in der EU inzwischen Konsens darüber, dass die Östliche Partnerschaft in ihrer bisherigen Form gescheitert ist – auch wenn es so niemand formulieren möchte. „Wir brauchen einen neuen Ansatz und die Methoden müssen sich ändern“, sagt der Europa-Abgeordnete Elmar Brok, einer der einflussreichsten europäischen Außenpolitiker. Unabhängige Experten werden deutlicher. „Die Östliche Partnerschaft gibt es nur noch, weil eine Alternative nicht existiert“, sagt die rumänische Politologin Alina Mungiu-Pippidi von der Hertie School of Governance in Berlin. „Es ist realistisch, die Östliche Partnerschaft als einfaches Hilfsprogramm zu betrachten, nicht als Programm eines politischen Transformationsprozesses.“
Die Politologin hat dabei vor allem die innenpolitische Entwicklung der östlichen Partnerländer im Blick. Obwohl Georgien, Moldau und die Ukraine bereits Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet haben und langfristig EU-Mitglieder werden wollen, setzen sie politische und institutionelle Reformen nur halbherzig um, Korruption und Rechtsunsicherheit sind weit verbreitet. Beispiel Moldau: In dem Land verschwand letztes Jahr kurz vor den Wahlen eine Milliarde Euro spurlos – moldauische Oligarchen sollen das Geld nach Russland transferiert haben. Bis heute bemüht sich die angeblich pro-europäische Regierung nicht ernsthaft um Nachforschungen. Ähnlich sieht es beim Thema Justizreform und Kampf gegen Korruption aus.
Forderungen nach einer Beitrittsperspektive
„Wir sind enttäuscht von der Entwicklung in der Moldau-Republik“, sagt Elmar Brok über das einstige Vorzeigeland der Östlichen Partnerschaft. Die EU habe sich zu viele Illusionen gemacht, konstatiert die rumänische Politologin Alina Mungiu-Pippidi. „Die EU ist von sich aus nicht in der Lage, die systemische Korruption in diesen Ländern zu beseitigen. Das muss man realistisch sehen. Der Wille der dortigen Eliten, eine Transformation hin zu europäischen Spielregeln zu vollführen, ist einfach zu wenig ausgeprägt.“
Andere Beobachter fordern genau aus diesem Grund eine klare Beitrittsperspektive für die östlichen Partnerländer. „Zwar muss eine Unterstützung für diese Länder künftig viel stärker an Bedingungen geknüpft werden“, sagt der Politologe Marcin Zaborowksi vom Polnischen Institut für Internationale Beziehungen (PISM), „aber wenn sie die Perspektive einer EU-Mitgliedschaft angeboten bekommen, würde das interne Reformen vorantreiben, so wie es auch vom Baltikum bis Bulgarien der Fall war.“
Ähnliche Forderungen erhoben in den letzten Wochen auch Politiker in einigen osteuropäischen EU-Mitgliedsländern, etwa im Baltikum und in Rumänien. Doch die EU schließt das derzeit klar aus. „Erst einmal muss die Transformation in diesen Ländern abgeschlossen sein“, sagt Elmar Brok, „Wenn man jetzt feste Beitrittsversprechen macht, möglichst noch mit Datum, weckt das nur falsche Hoffnungen.“