Polen

Deutsche kämpfen um polnischen Parlamentsitze

Opole (n-ost) – Henryk Kroll spricht nicht ganz fehlerfrei deutsch und zuhause nur polnisch. Es kursiert sogar die Anekdote, seine Frau habe erst bei der Hochzeit erfahren, dass er Deutscher ist. Trotzdem sitzt der 56-jährige Tierarzt seit 1991 für die deutsche Minderheit im polnischen Parlament.

Polen ist das einzige Land, in dem eine deutsche Liste bei der Parlamentswahl auf dem Stimmzettel steht – bisher immer mit Erfolg. Bei der Premiere 1991, die für die Deutschstämmigen noch mit vielen Emotionen verbunden war, errang die Minderheit stolze sieben der insgesamt 460 Mandate. Seit 1997 stellt sie jedoch nur noch zwei Abgeordnete. Wie viele es in den nächsten vier Jahren sind, entscheidet sich bei den Sejm-Wahlen am 25. September.

Spitzenkandidat Henryk Kroll gibt sich optimistisch: „Wir hoffen auf mehr Sitze, mindestens drei. Dann wären wir eine Kleinfraktion.“ Den Wahlkampf führt er fast nur auf Polnisch. Weder in den Radio-, noch in den Fernsehspots fällt ein deutsches Wort, nur bei den kleinen Wahlveranstaltungen der Minderheit.

Wählen kann man die Liste „Deutsche Minderheit“ mit ihren 14 Kandidaten (Durchschnittsalter 46 Jahre) unter anderem in der südwestlichen Woiwodschaft Opole (deutsch: Oppeln). Hier rechnet Wahlkampfkoordinator Johann Lehnort mit einem Ergebnis von knapp über 20 Prozent. Auf ganz Polen gerechnet waren dies beim letzten Mal 2001 0,36 Prozent der Stimmen.

Außerdem kandidiert die Minderheit nur noch im Wahlkreis Gliwice (Gleiwitz). Im ebenfalls schlesischen Raciborz (Ratibor) scheiterte dagegen die Zulassung zur Wahl an den hierfür nötigen 5 000 Unterschriften. Stark ist die deutsche Gemeinschaft nur um Opole, wo sie 28 Bürgermeister stellt. Bei der letzten Volkszählung im Jahre 2002 gaben insgesamt 150 000 polnische Staatsbürger die deutsche Nationalität an.

Mehr Deutschunterricht an den Schulen steht an erster Stelle im Wahlprogramm der Oppelner Liste. Zum größten Erfolg im Parlament zählt Kroll das dieses Jahr beschlossene Minderheitengesetz, das unter anderem zweisprachige Ortsschilder zulässt. Um dieses Gesetz nicht zu gefährden, verließ Kroll mit dem anderen Abgeordneten der Minderheit den Plenarsaal, als über die Forderung nach deutschen Kriegsreparationen abgestimmt wurde. Sie wollten nicht als einzige mit Nein stimmen.

„Für uns wird das nächste Parlament sicher noch unangenehmer sein“, fürchtet Kroll den vorausgesagten Rechtsruck in Polen. Dabei sei bereits der bisherige Sejm der schlechteste seit der demokratischen Wende in Polen 1989. „Die Rechtsparteien sind nationalistisch“, klagt er. Ein Antrag der Partei „Recht und Gerechtigkeit“, auch für die deutsche Minderheit die Fünf-Prozent-Hürde einzuführen, scheiterte jedoch.


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