Polen

Ex-Außenminister Cimoszewicz zieht Kandidatur zurück

Warschau (n-ost) – Für Polens noch regierende Linke ist es ein Waterloo: Gut drei Wochen vor den Präsidentschaftswahlen steht die sozialdemokratische SLD plötzlich ohne Kandidaten da. Wlodzimierz Cimoszewicz, bis Januar Außenminister und jetzt Parlamentspräsident, zog am Mittwoch seine Präsidentschaftskandidatur zurück. Er selbst und der SLD-Chef Wojciech Olejniczak erklärten, sie könnten keinen der übrigen Bewerber wählen.
Als Grund für seinen überraschenden Rückzug aus dem Wahlkampf nannte Cimoszewicz die „Verwahrlosung der politischen Sitten durch einen Teil der Politiker und Journalisten“. Vor einem Monat waren seine Insidergeschäfte mit den Aktien des Ölkonzerns Orlen aufgeflogen, die er als Abgeordneter hätte angeben müssen. Die Staatsanwaltschaft will bis nächste Woche prüfen, ob sie ein Ermittlungsverfahren einleitet. Wegen Cimoszewicz falscher Finanzangaben für das Jahr 2002, die für Politiker vorgeschrieben sind, will sie ihn aber nicht belangen, weil es sich dabei um ein unabsichtliches Versehen handele.
Bei der vom Fernsehen live übertragenen Pressekonferenz stilisierte sich Cimoszewicz als Opfer einer Schmutzkampagne. Er habe selbst 14 000 Zloty mit anderen Aktien an der Börse verloren.
Noch im Juli hatte Cimoszewicz die Umfragen mit bis zu 30 Prozent klar angeführt. Nun ermittelten die Meinungsforscher mit 17 Prozent nur noch Platz drei für ihn. Nach dem Rückzug des SLD-Kandidaten geht Donald Tusk von der CDU-Schwesterpartei Bürgerplattform als haushoher Favorit in die Präsidentschaftswahlen am 9. Oktober. Alle Umfrageinstitute taxierten ihn schon bisher bei über 40 Prozent. Nun sind seine Chancen gestiegen, sich schon im ersten Wahlgang durchzusetzen.
Als einziger Konkurrent von Tusk hat nur noch der rechtspopulistische Warschauer Bürgermeister Lech Kaczynski Außenseiterchancen auf die Nachfolge des Exkommunisten Aleksander Kwasniewski. Cimoszewicz gab selber keine Wahlempfehlung ab: „Ich sehe selber keine Person, die des Amtes würdig ist.“ Cimoszewicz dagegen wird sich nun auf seinen Bauernhof im Nordosten Polens zurückziehen. Der promovierte Anwalt war der Schlacht um das Präsidentenamt psychisch ohnehin nicht gewachsen, sagte ein SLD-Politiker. Dabei führte er von 1996 bis zu den verlorenen Parlamentswahlen 1997 als Premierminister die Regierung und später Polen als Außenminister in die EU.

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