Wahlkampf gegen Homosexuelle
Von n-ost-Korrespondent Oliver Hinz (hinzoliver@web.de, Tel. 089/12779600)
Warschau (n-ost). Lech Kaczynski ist das Gegenteil von Klaus Wowereit. Während der Regierende Berliner Bürgermeister als bekennender Homosexueller die Parade der Schwulen und Lesben in seiner Stadt mitfeiert, entpuppt sich sein Warschauer Kollege Kaczynski für diese Minderheit als Albtraum. Der rechtspopulistische Politiker verbietet ihr, diesen Samstag in der polnischen Hauptstadt etwa für Gleichberechtigung zu demonstrieren. Ein handfester innenpolitischer Konflikt, denn Kaczynski ist auf dem besten Weg, im Oktober Staatspräsident zu werden.
"Als Bürger dürfen sie protestieren, aber als Homosexuelle nicht" - der Warschauer Bürgermeister sucht erst gar nicht nach einem Vorwand für das Verbot der geplanten "Parade der Gleichheit". Damit verstoße er nicht gegen das Gesetz oder die Menschenrechte, betont der 55-jährige Juraprofessor. Das Demonstrationsrecht werde nicht durch Überzeugungen beschränkt, "sondern durch Sittlichkeit und Sicherheit". Im Verbotsbescheid wird allerdings eine fehlende Verkehrsregelung während der Schwulen-Demo als Hauptverbotsgrund angeführt.
Überraschend hat der Bürgermeister nun auch fast alle Ersatzkundgebungen der Homosexuellen verboten, die anders als ein Demonstrationszug eigentlich nur angemeldet und nicht genehmigt werden müssen. Ein Dutzend Gegenkundgebungen, auch die der Jugendorganisation seiner Partei, ließ er dagegen uneingeschränkt zu. Eine Initiative "Stoppt die Entartung" wirft Homosexuellen unter anderem Pädophilie vor.
Paradeveranstalter Tomasz Baczkowski meint dennoch: "Ich glaube, Kaczynski hat sich diesmal überschätzt. Fast alle Medien sind gegen das Verbot, weil er alle möglichen Gesetze bricht." Baczkowski will durch alle Instanzen bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für die Zulassung der Parade kämpfen, freilich erst rückwirkend. Denn der Rechtsweg dauert gerade in Polen lange. An diesem Samstag fürchtet der 33-Jährige Krawalle und sogar seine Festnahme. Er kündigte an, trotz Demoverbot „als Bürger“ vom Parlament zum Kulturpalast zu gehen.
Baczkowski hat schon den Christopher Street Day in Berlin mitorganisiert. Er lebt bereits in einer Homo-Ehe. Denn er ist das halbe Jahr über in der Bundesrepublik und sein "Mann", wie er ihn nennt, ist Deutscher. Im polnischen Parlament, dem Sejm, fand dagegen ein Gesetz für die Einführung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften keine Unterstützung. In der zweiten Parlamentskammer, dem Senat, hatte sich voriges Jahr noch eine Mehrheit dafür ausgesprochen.
In Umfragen führt der Warschauer Bürgermeister indessen vor allen anderen Präsidentschaftskandidaten derzeit mit 24 Prozent. Vor allem bei den Anhängern der nationalistisch-klerikalen "Liga der polnischen Familien" versucht er noch zu punkten. Gleichwohl gehört die Partei "Recht und Gerechtigkeit", die sein eineiiger Zwillingsbruder Jaroslaw führt, wie CDU und CSU der Europäischen Volkspartei an. Den Konflikt mit den Paradeveranstaltern nutzt der Präsidentschaftskandidat der Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) auch in einem Wahlwerbespott. Darin nähern sich zwei Männer einander mit den Lippen. Dann verschwimmt das Bild. Begleitet wird diese Szene durch den Kommentar: "Statt provozierender Homosexuellenparaden wollen wir Staatshilfen für polnische Familien."
Scharfer Protest gegen die Stimmungsmache gegen Schwule kommt unterdessen auch aus Deutschland. Grünen-Chefin Claudia Roth griff am Freitag auf einer Homosexuellen-Konferenz in Warschau Kaczynski scharf an: "Manche Kreise in Polen haben auch nach gut einem Jahr Mitgliedschaft in der EU noch nicht verstanden, was es heißt, ein EU-Land zu sein." Es sei das selbstverständlichste Recht von Schwulen, Lesben und Bisexuellen für ihre Rechte zu demonstrieren und politische Partizipation zu fordern. Roth will am Samstag an einer Ersatzkundgebung vor dem Warschauer Kulturpalast teilnehmen.
Die nun in Polen entstehende Protestbewegung gegen das Demoverbot mobilisiert die Homosexuellen-Szene erst recht - Kaczynski hat ihnen mit seinem selbstherrlichen Kurs somit einen Bärendienst erwiesen.
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