Tschechien

Tschechische Regierungskrise verschärft sich

Prag (n-ost). Der tschechische Premierminister Stanislav Gross sieht sich in einer Affäre um private Immobiliengeschäfte und die unternehmerische Tätigkeit seiner Frau wachsendem Druck ausgesetzt. Mittlerweile wird dem 35-jährigen Sozialdemokraten auch vom Chef der mitregierenden Christdemokraten, Miroslav Kalousek, der Rücktritt nahe gelegt. Nach nur sieben Monaten droht die regierende Koalition, der auch noch die liberale Partei angehört, zu zerbrechen.

Die Affäre begann mit einem privaten Immobilienerwerb, den der Premier aus zweifelhaften Geldquellen finanzierte. Gross, damals stellvertretender Vorsitzender der Abgeordnetenkammer, hatte vor sechs Jahren im Prager Nobelstadtteil Barrandov ein Haus erworben. Die Kosten von rund 140.000 Euro habe er, wie er verlauten ließ, zum Teil aus Ersparnissen, aus einem Bankkredit und aus seinen Einkünften als Abgeordneter gedeckt. Anfang Februar jedoch rechneten Journalisten nach und stießen auf einen erheblichen Betrag, den Gross aus anderen Quellen gedeckt haben musste.

Nun brachte der Premier seinen Onkel ins Spiel, der mit 30.000 Euro ausgeholfen haben soll. Dann kam heraus, dass der Onkel sich dieses Geld über einen Journalisten geliehen hatte, der damit den aufstrebenden Sozialdemokraten unterstützen wollte. Der Wechsel über den Kredit wurde an eine dritte Person verkauft, und hier verliert sich die Spur.

Mehr noch stoßen sich die Christdemokraten an der unternehmerischen Tätigkeit der Premiersgattin Šarka Gross. Diese soll langjährige Geschäftsbeziehungen mit Libuše Barková, Besitzerin oder zumindest Vermieterin eines Bordells, gepflegt haben, wie die Wochenzeitung „Respekt“ recherchierte. Die beiden Frauen wollten gemeinsam einen Luxuswohnkomplex im Prager Stadtteil Prosek errichten. Den nötigen Bankkredit hatte sich Šarka Gross über ihre zwielichtige Partnerin besorgen lassen. Prostitution wird in Tschechien zwar geduldet, ist aber nicht legal. Gegen Barková läuft zudem ein Verfahren wegen Versicherungsbetrugs. Inzwischen hat sich die Premiersgattin von dem Geschäft distanziert.

Die tschechischen Medien ergehen sich nun fast täglich in weiteren Enthüllungen. Von dem Verdacht, dass mit dem Bauprojekt schmutziges Geld gewaschen werden sollte, ist die Rede. Ein Sumpf voller halbseidener Gestalten, Seilschaften und Korruption tut sich um den jungen Premier auf, der in Prag schnelle Karriere als politischer Saubermann gemacht hat. Eine Zeitung will nun sogar erfahren haben, dass Stanislav Gross sein Hochschulexamen unter erheblich vereinfachten Bedingungen erhalten habe.

Vergangene Woche musste sich Gross gleich zweimal vor dem Parlament verteidigen. Der von der oppositionellen ODS geforderten Beschluss, Gross müsse alle Fakten zu seiner Wohnung auf den Tisch legen, wurde zwar durch die Koalition blockiert. Allerdings wurden Rücktrittsforderungen von Seiten der mitregierenden Christdemokraten laut. Umgehend forderte Gross seinen Koalitionspartner auf, sich bis Ende dieser Woche geschlossen hinter seine Person zu stellen. Andernfalls sähe er für die christdemokratischen Minister nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder sie gingen freiwillig, oder er würde den Präsidenten Václav Klaus um ihre Abberufung ersuchen. „Die Regierung sollte ein Team sein“, begründete Gross sein Ultimatum: „Wenn ein Mitglied die Ansicht vertritt, der Chef solle gehen, dann geht entweder er, oder derjenige, der die Forderung gestellt hat.“

Der tschechische Präsident vermeidet bislang eine eindeutige Parteinahme. Sollten die Christdemokraten tatsächlich die Regierung verlassen, bliebe Gross nur noch die Tolerierung durch die Kommunisten, um an der Macht zu bleiben.

*** Ende *** 

Christoph Amthor


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