RLW #35: Der „gekreuzigte Junge“ kehrt zurück
Die Propagandahampels vom russischen Staatsfernsehen sind wirklich keine sonderlich einfallsreichen Zeitgenossen. Wenn sie einen guten Plot finden, wird er totgeritten wie ein alter Gaul. Meine Damen und Herren, wie es aussieht, kehrt der „gekreuzigte Junge“ von Slawjansk zurück. Zur Erinnerung: Im Juli 2014 ging es darum, die Monstrositäten der „Kiewer Junta“ zu belegen, also sendete „Pervyi Kanal“ in den Abendnachrichten einen angeblichen Augenzeugenbericht (VIDEO-LINK). Die ukrainische Armee hat ein dreijährigen Kind gekreuzigt. Tränen- und detailreich erzählt, alles frei erfunden, versteht sich.
Nun sieht im Januar 2016 die Konjunktur etwas anders aus. Die Ukraine ist vergessen, jetzt soll Europa mit ihren importierten Kannibalen endlich fernsehtauglich untergehen, und möglichst eindrucksvolle Schauergeschichten hinterlassen. Im Berliner Stadtteil Friedrichsfelde haben drei Migranten dreißig Stunden lang ein 13-jähriges russlanddeutsches Mädchen vergewaltigt. Behauptet jedenfalls „Pervyi“ in seinen Abendnachrichten vom Samstag. Aufmacherreportage! (VIDEO-LINK)
Wie schon bei der Slawjansk-Story wird die Geschichte indirekt erzählt: Vor der Kamera spricht die Tante des Mädchens, die eine Entführung mit anschließender Gruppenvergewaltigung schildert, dann wird eine Gruppe von aufgebrachten russischsprachigen Bewohnern eines Berliner Außenbezirks gezeigt, die sich über den Fall ereifern. Die Polizei habe nichts unternommen, sagt der Onkel des Mädchens. Für eine Stellungnahme war naturgemäß niemand zu erreichen, was für ein Glück für „Pervyi“. Inzwischen haben russische Onlinemedien die Geschichte aufgegriffen, sowie die deutschsprachige Propagandastaffel des russischen Auslandsfunks.
Soso, am Samstag, dem 16., taucht also auf einem obskuren Russlanddeutschen-Portal die Nachricht von der angeblichen Vergewaltigung auf - wohlgemerkt auf einer Seite, die sonst rechtsextremen Russlanddeutschen wie Andrej Triller eine Plattform bietet - und Stunden später sendet „Pervyi“ schon seine Reportage? Okay. Eine Gruppenvergewaltigung einer Minderjährigen durch Migranten, von der die Boulevardzeitungen der Hauptstadt nichts wissen. Eine Straftat, nun offiziell dementiert von der Berliner Polizei. Klingt alles ein wenig… fragwürdig? Aber dieses Wort, das kennen sie in Ostankino einfach nicht.
A pro pos fragwürdig: Das ist auch die Idee, im Nordkaukasus Skiurlaub zu machen. Eine Korrespondentin von MediaLeaks hat zwei Wochen in der Republik Kabardino-Balkarien verbracht. Und versucht, sich eine gute Zeit zu machen, für umgerechnet etwa 800 Euro. Das war ganz schön ambitioniert. Olga Hochrjakowa fasst es so zusammen:
In den Ferienorten des Kaukasus darf man nicht vergessen: Für Ihr Geld steht Ihnen hier nichts zu.
Was Ihnen zusteht? Überteuerte Taxitarife bei völliger Abwesenheit von öffentlichen Verkehrsmitteln. Bezahlte Skipässe, die plötzlich nicht gelten und neu gekauft werden müssen, selbstverständlich ohne Erstattung. Ob ein Skilift gerade funktioniert, erfährt man nur, wenn man davor steht. Auf den Pisten gibt es keine Sicherheitsabsperrungen, keine Warnungen, keine Schilder, obwohl dort Jahr für Jahr Menschen sterben. Was tut also lieber ein russischer Skitourist? Der fährt nach Murmansk, empfiehlt die Autorin. Die dortigen Skigebiete sind landschaftlich zwar recht bescheiden, dafür geht es zivilisierter zu.
Genug von dem traurigen Zeug. Können wir auch einmal lachen? Versuchen wir’s. Jemand hat über den Soundtrack des Trailers von „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ Szenen aus einer alten Sowjet-Verfilmung von Nikolai Gogols Spuk-und-Teufelszeug-Erzählungen gelegt. „Die Macht ist stark in meiner Familie!“ Und schon fliegen einem Wareniki in den Mund, und der Teufel hochselbst brüllt wie Chewbacca.