RLW #31: Dritter Weltkrieg, Krisenende, Rubellyrik
Die „Nesawissimaja Gaseta“ hat diese Woche einen Beitrag publiziert, den ich zuerst für eine ausgefallene Satire hielt: Darin geht es um einen möglichen Krieg Russlands gegen die NATO, samt Empfehlungen für das Vorgehen gegen die einzelnen Armeen der Allianz. Der Autor, ein gewisser Wladimir Mikrjukow, erwähnt mit keinem Wort die Gefahr einer nuklearen Eskalation eines solchen Konflikts. Er tut so, als gehe es dabei um eine Neuauflage des Zweiten Weltkriegs mit Einsprengseln von „Cyberwar“ und „Informationskrieg“. So heißt es beispielsweise über die deutsche Bundeswehr:
„Bei der Planung und Umsetzung der Operationen gegen die deutsche Armee muss man einzigartige, schöpferische Lösungen suchen, die gelegentlich gegen den gesunden Menschenverstand und Logik verstoßen. Es ist notwendig, der deutschen Generalität Kriegshandlungen aufzuzwingen, die in keinem Kontingenzplan der deutschen Heeresleitung stehen.“
Die Deutschen also? Verstockt und unkreativ. Die Briten? Russlands Hauptfeinde, schon immer und sowieso. Die Franzosen? Eine halbe Söldnerarmee, genau wie die US Army. Mütterchen Russland hingegen? Führend in Technik, Kampfgeist, Durchhaltevermögen. Moskaus Sieg ist alternativlos.
Natürlich hat Mikrjukows Text ungefähr Nichts mit der Realität zu tun, wie der Militärexperte Alexander Golz im Interview mit „Radio Liberty“ ausführt. Kein geopolitischer Akteur kann seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion genug Kräfte für einen Flächenkrieg in Europa sammeln. Vom sowjetischen Offensivpotenzial sind nur nuklear bestückte ICBMs übrig geblieben. Nun gehe es für Moskau darum, der Welt mit aller Kraft deutlich zu machen, dass man verrückt genug sei, sie einzusetzen - so Golz. Moskau stilisiert sich sozusagen zum Crazy Ivan - so wird vorgetäuschter Wahnsinn zur geopolitischen Ressource. Deprimierend, diese Einsicht so kurz vor Weihnachten - aber ein anderes Land, liebe Leserinnen und Leser, habe ich für Sie leider nicht.
Ein beliebter Zeitvertreib für russische Politiker: Das Ende der Krise verkünden. Oder jedenfalls ihren Tiefpunkt. Bald, bald geht es aufwärts, Brent ist wieder teuer, oder jedenfalls nicht billig, die Produktion zieht an, the East will rise again. Wie aber könnte der Durchschnittsmoskauer erfahren, ob das Gerede vom Krisenende im Fernsehen wirklich stimmt?
„Vedomosti“ hat da eine Theorie: Die Krise ist zu Ende, wenn der Moskauer vor die Tür tritt und im Innenhof seines Häuserblocks „ein neues Grüppchen von Tadschiken oder Kirgisen“ erblickt. Das würde heißen: Der russischen Wirtschaft geht es wieder gut, es gibt neue Straßenkehrer aus den alten Kolonien. Bisher sieht es eher nicht nach neuen Tadschiken aus - im Vergleich zum Vorjahr fiel das Volumen der Heimüberweisungen der „Gastarbeitery“ aus Zentralasien im Schnitt um die Hälfte.
Erinnert sich noch jemand an Dmitri Malikow? In den 1990ern als Schnulzensänger berühmt, in der Zwischenzeit in Vergessenheit geraten. Wie es aussieht ist der Mann aber zurück, und zwar so richtig: Er hat einen kurzen empowerment song für den Rubel geschrieben. So ungefähr klingt Malikows Rubel-Beschwörung:
Das Leben zwischen schwarz und weiß soll ein Ende haben / Wie ein Falke wirst du dich erheben, unser russischer Tapferling!
Halte nur ein bisschen durch, halte durch! / Mag es gerade ein etwas schwierig sein, das Glück liegt vor dir! / Halte durch, halte durch, und falle nicht!
Jetzt warten wir auf Malikows Ode an den Ölpreis.
„Russland letzte Woche“ ist ein eklektischer Rückblick auf die Vorgänge da drüben im Osten, geschrieben von Pavel Lokshin in Kooperation mit n-ost. Für Abonnenten jeden Montagmorgen als Newsletter und auf ostpol.
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