RLW #20: Russische Emirate, Medientheorie, Käse
Der russische Starökonom Wladislaw Inosemtsew hat in der „Wedomosti” einen - wie ich finde - brillanten Vorschlag zur allgemeinen Verbesserung Russlands gemacht. Das Hauptproblem des Landes: Obwohl Russland nicht mehr sein kann als ein riesiges Erdöl-Emirat, müssen seine Herrscher so tun, als wären sie Demokraten. Sie überschreiben ihre Luxuswohnungen auf entfernte Verwandte, sie führen keine Porsches, sondern sowjetische Rostlauben in Vermögensauskünften an. Natürlich will nichts klappen! Das Gewissen will sich nicht beruhigen! Und während Dubai seinen Herrschern im Wortsinne gehört, seien die russischen Eliten nur an kurzfristigen Gewinnen und Kapitalflucht interessiert. Ein Jammer. Die Russen fahren ihr Land vor die Wand, während die schlauen Araber ihre Abhängigkeit von Ölexporten stetig senken.
Was tun? Magic bullet! Das Vermögen aller wichtigen politischen Akteure legalisieren, no questions asked. Anfangen bei der Doppelspitze Putin-Medwedew. Die Folge:
„Erstens, die Konflikte zwischen Unternehmern und Staatsmacht gehen zurück, beide Seiten haben dann ähnliche Prinzipien, Ziele und Ideologien. Zweitens, riesige Netzwerke von Zwischenmännern und nominellen Vermögensbesitzern brechen rasch zusammen. Drittens, das Gefühl von Legalität und Sicherheit führt dazu, dass die Lust an der weiteren unkontrollierten Bereicherung abnimmt ... Viertens, die Situation mit dem Offshore-Charakter unserer Wirtschaft verbessert sich unverzüglich, das Steueraufkommen steigt.”
Selbst wenn dieser paradiesische Plan realisiert werden sollte, eine Frage sei mir erlaubt - gut, mehrere. Warum sollten die russischen Herrscher nicht bloß einen Teil ihres Vermögens legalisieren? Wo bleibt die Garantie, dass eine solche Aktion nicht in eine traditionelle russische Politiksimulation ausartet? Und warum sollten Russen auch nur vorgeben, eine Regierung zu mögen, die plötzlich sagt: Wir haben euch beschissen. Ja, all die Jahre. Vielleicht fehlt mir ja der PhD in Economics, um diese Fragen nicht zu stellen.
Bleiben wir bei heiteren Themen. Akademische Medientheorie ist an sich schon ein lustiges Unterfangen, noch lustiger sind nur Medientheoretiker, die an die Öffentlichkeit treten und uns Angst vor Google... eh, Technik machen. Aber wovor macht uns eigentlich der “Medienanalyst” Andrej Miroschnitschenko bei Gazeta.ru Angst? Facebook? Apple? Vor der neuen Sklaverei von Silicon Valley allgemein? Nein, nicht weniger als vor dem Zusammenbruch der nationalen Kulturen natürlich, ausgelöst durch einen “multilingualen Browser”, der quasi kurz vor der Erfindung steht und dann alle, alle Sprachen der Welt sofort in andere Sprachen übersetzen können soll muss wird. Und dann bricht alles zusammen, hey Siri.
Eine weitere schöne Passage darf natürlich auch nicht vorenthalten werden. Merkwürdig, alles in diesem Russland kriegt einen geopolitischen Twist, sogar ein Medien-Angstmacher:
„Prozesse, die mit ”Farbrevolutionen“ verbunden sind, religiöser Extremismus, internationale Spannungen, dieses ganze ’neue Mittelalter’ - all das ist eine Reaktion auf die zu schnelle Medienentwicklung der letzten Jahren... Terroranschläge und religiöser Extremismus sind der Preis, den die Menschheit für erfolgreiche Startups aus dem Silicon Valley zahlt.”
Ein Glück, dass die Startups von Skolkovo valley relativ erfolglos sind, sonst gäb’s noch mehr Explosionen.
Wie oft kommt es vor, dass zwei russische Aufsichtsbehörden Beef haben? Nun, sie streiten, die Agrar-Aufsichtsbehörde und die Verbraucherschutz-Behörde. Beim Beef geht es um Käse. Die Agraraufsichtsbehörde sagt: Bei 80 Prozent des Käses auf dem russischen Markt handelt es sich um Palmöl-Fakes (wir berichteten). In Moskau liegt die Zahl laut den Agrarbeobachtern bei bescheidenen 45 Prozent.
Die Jungs vom Verbraucherschutz aber stellen sich auf die Seite eines großen Milchverbandes und sagen: Nicht mehr als 25 Prozent. Wer hat recht? Was machen wir jetzt mit dieser Information? Ich persönlich gehe gleich zum 24-Stunden-Supermarkt um die Ecke und kaufe mir ausnahmsweise einen ehrlichen Schmelzkäse. Seine Künstlichkeit ist echt.
„Russland letzte Woche“ ist ein eklektischer Rückblick ist ein eklektischer Rückblick auf die Vorgänge da drüben im Osten, geschrieben von Pavel Lokshin in Kooperation mit n-ost. Für Abonnenten jeden Montagmorgen als Newsletter und auf ostpol.
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