Polen

Unterstützung für Belarus

„Ob ich im Studium Erfolg habe, hängt jetzt nur noch von meinen Noten ab“, sagt Viktoria Khakimava. Die 22-jährige Belarussin studiert seit vier Jahren in Warschau BWL. „Als ich noch in Minsk zur Uni ging, konnte ich wegen meines politischen Engagements jederzeit meinen Studienplatz verlieren“, sagt Viktoria. Früher verteilte sie als Aktivistin einer belarussischen Oppositionsgruppe Flugblätter und schrieb kritische Blogs im Internet. Seit 2006 ist sie eine von mehreren jungen Belarussen, die in Polen Zuflucht vor dem diktatorischen Regime Alexander Lukaschenkos suchen.

Seit den vorletzten belarussischen Präsidentschaftswahlen vor vier Jahren unterstützt die polnische Regierung mit ihrem Programm „Konstanty Kalinowski“ junge Weißrussen wie Viktoria, die aus politischen Gründen in ihrer Heimat nicht mehr studieren dürfen. Sie erhalten ein Stipendium und werden intensiv betreut. Über 300 junge Menschen profitierten zurzeit davon, jetzt werden es noch mehr: Nach den gewaltsam niedergeschlagenen Demonstrationen bei der manipulierten Präsidentenwahl im vergangenen Dezember hat die Regierung das Programm ausgeweitet und die Plätze für weitere Studenten aus Belarus ausgebaut. Zudem schaffte Polen die Visagebühren für Belarussen ab.


Die Belarussin Viktoria Khakimova studiert mit einem Stipendium der polnischen Regierung in Warschau BWL /  Agnieszka Hreczuk, n-ost

Das Stipendien-Programm ist eine von mehreren Maßnahmen, mit dem Polen die demokratische Bewegung in Belarus unterstützt. Polen will die künftige politische Elite ausbilden, die Lukaschenkos Regime irgendwann ablösen soll. Über zehn Millionen Euro jährlich gab die Regierung bislang  für mehrere Projekte aus. Nach der Präsidentschaftswahl im Dezember hat sie das Budget fast verdoppelt. Am 2. Februar beraten die Außenminister der EU und ihrer östlichen Nachbarländer auf Initiative Warschau über den Ausbau des Hilfsprogramms.

Mit gut der Hälfte des Geldes unterstützt die polnische Regierung den belarussisch-sprachigen TV-Sender Belsat und den Radiosender Racja. Beide werden von Polen ausgestrahlt. Sie sind als Alternative zu den regimetreuen Medien in Belarus gedacht und werden von belarussischen Journalisten gestaltet, die zu Hause nicht arbeiten dürfen. Mit dem restlichen Geld fördert Polen lokale Medien und Initiativen vor Ort.

Das lebendige Interesse Polens an Belarus ist verständlich, sagt Adam Eberhardt vom Zentrum für Ost-Studien in Warschau. „Polen ist von der Situation in Belarus stark betroffen, allein wegen der Nähe“, erklärt der Wissenschaftler. Immerhin teilen die beiden Länder eine 418 Kilometer lange Grenze, die gleichzeitig die EU-Außengrenze ist. „Je demokratischer und stabiler das System dort ist, desto besser für Polen. Kein Land will einen feindlichen und autokratischen Nachbarn haben“, so Eberhardt. Mit seiner Idee, Minsk an die westlichen Standards anzunähern, war Warschau der Impulsgeber des Dialogs „Östliche Partnerschaft“, das die EU mit mehreren östlichen Anrainerstaaten 2009 startete.

Polen führt dabei mit der EU gegenüber Minsk eine „Bedingungspolitik“: „Der Grad der Zusammenarbeit mit dem Regime von Lukaschenko ist von den demokratischen Schritten in Belarus abhängig“, erklärt der Politikexperte Adam Eberhardt. Jede Verschärfung des Autoritarismus zieht Sanktionen für das Regime und verstärkte Unterstützung der Opposition nach sich. „Von Polen aus können wir mindestens so viel für Belarus tun, wie es auch vor Ort möglich wäre“, ist die Studentin Viktoria Khakimava überzeugt. In Warschau arbeitet sie als Mitglied der Organisation „Initiative für ein freies Belarus“.

Jetzt will Polen auch andere EU-Länder sowie internationale Organisationen überzeugen, die Opposition in Belarus zu unterstützen. Die bisherige finanzielle Hilfe reiche nicht aus, um die Entwicklung der Zivilbevölkerung zu stärken. Es gehe nicht nur um politische Parteien, sondern auch um lokale demokratische Initiativen, die in Belarus bisher kaum Chancen haben.


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