Polen

Emotionaler Wahlkampf

Bronislaw Komorowski von der regierenden Bürgerplattform und der Bruder des verstorbenen Präsidenten Jaroslaw Kaczynski von der oppositionellen Partei Recht und Gerechtigkeit sind die Hauptkandidaten im Wettlauf zum Präsidentenpalast. Die ersten Umfragen zeigen, dass Komorowski immer noch Favorit ist. Mit 47 gegen 27 Prozent (Kaczynski) im ersten Wahlgang und 53 gegen 35 im zweiten, könnte er die Wahlen gewinnen.

In der zweiten Reihe bleiben der Sozialdemokrat Grzegorz Napieralski, der den verstorbenen Jerzy Szmajdzinski ersetzt, Waldemar Pawlak, Vizepremier aus der mitregierenden Bauernpartei, und der unabhängige Andrzej Olechowski, unterstützt von der Partei der Demokraten. Obwohl ihnen Umfragen zufolge keine Chancen eingeräumt werden, sind die Beobachter mit ihren Prognosen sehr zurückhaltend. „Theoretisch wissen wir, was passieren wird, aber es gibt Alternativen: Vielleicht punktet Kaczynski noch, vielleicht verliert Komorowski, vielleicht kommt auf einmal ein schwarzes Pferd aus den hinteren Reihen“, urteilt der Journalist Grzegorz Miecugow über die Situation vor der Wahl.

Der Wahlkampf werde emotionaler als sonst geführt werden, erwarten Beobachter: Es könne ein Kampf um Symbole und Traumata werden. „Die Tragödie bei Smolensk kann man nicht so schnell vergessen“, sagte Wieslaw Galazka, Spezialist für politisches Marketing gegenüber der Zeitung „Rzeczpospolita“. Gewinnen werde derjenige, der besser jene Emotionen bündele, die länger auf die Polen wirkten. Prädestiniert dafür scheinen Jaroslaw Kaczynski und seine Partei zu sein. Denn gerade Recht und Gerechtigkeit erlitt den stärksten Verlust bei der Katastrophe, Jaroslaw Kaczynski erlebte eine persönliche Tragödie.

Nach dem Tod des Präsidenten hat die Partei nun anstelle eines Kandidaten mit schlechten Umfrageergebnissen eine Legende, die binnen weniger Tage um Lech Kaczynski entstanden ist. Davon kann sein Bruder jetzt profitieren. In früheren Umfragen waren beinahe 50 Prozent der Wähler unentschieden. Sie könnten sich jetzt durch die Emotionen nach der Tragödie leiten lassen. „Wir haben Angst, dass im Schatten der Tragödie und der Traumata sachliche Argumente nicht mehr zählen“, gibt Adam Szejnfeld von der Bürgerplattform zu.

Trotz aller Emotionen versprechen die Politiker einen ruhigen Wahlkampf, rufen zu einer konstruktiven Zusammenarbeit und einer sachlichen Debatte auf. „Dieses Mal wird es ruhig – ohne direkte, persönliche Angriffe“, behauptet der Publizist Bronislaw Wildstein. Der scheinbar friedliche Wahlkampf werde nicht lange andauern, vermutet dagegen der PR-Spezialist Adam Laszyn. „In Polen wird meistens gegen jemanden gestimmt, nicht für jemanden. Und dies verlangt einen aggressiven Wahlkampf“, sagt Laszyn. Es könne also auch eine Wahl für oder gegen Kaczynski werden.

Die jetzige Situation in Polen verlangt auch technisch einen anderen Wahlkampf. Es gibt nämlich keinen Platz mehr für gewöhnliche Ballons und Familienfeste – so kurzfristig können die Veranstaltungsorte nicht mehr gebucht werden. Fehlen werden auch Plakate und Werbebanner. Statt für Politiker wird also für Waschmittel und Lebensmittel auf den Straßen geworben. Deshalb weichen die Parteien auf andere Methoden aus: Sie werden im Internet um Wähler und neue Unterstützer werben – auf den eigenen Seiten, aber auch in sozialen Netzwerken wie Facebook und dem Kurznachrichtenkanal Twitter.


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