Slowakei

WEISSE TITELSEITEN GEGEN KNEBELUNG DER MEDIEN

Slowakische Journalisten wehren sich gegen ein neues Pressegesetz(n-ost) –  Fast alle Zeitungen in der Slowakei erschienen am Donnerstag mit weißen Titelseiten, auf denen lediglich eine gleich lautende Protesterklärung prangte. Mit dieser ungewöhnlichen Aktion protestierten die Blätter gegen den Entwurf eines neuen Pressegesetzes der Regierung von Premier Robert Fico, mit dem aus ihrer Sicht die Medienfreiheit im Land bedroht wird. Das geplante Gesetz wird auch von internationalen Journalisten-Vereinigungen und der OSZE scharf kritisiert. Ungeachtet dessen will die Regierung den Entwurf jetzt im Parlament durchboxen.Die Protesterklärung auf den Titelseiten listet „Sieben Sünden des Pressegesetzes“ auf. Die wichtigste: Die Zeitungen sollen künftig zur Veröffentlichung breiter Gegendarstellungen und Richtigstellungen verpflichtet werden. Folgt man den Chefredakteuren, dann wollen sich damit in erster Linie die Regierenden Platz in den Blättern verschaffen, um jedwede Kritik kontern zu können. Das Gesetz untersagt den Redaktionen, die Entgegnungen der Politiker zu kommentieren, selbst wenn diese wahrheitswidrig ausfallen sollten. Sollten sich die Zeitungen weigern, die Gegendarstellungen zu veröffentlichen, müssten sie mit einer empfindlichen Geldstrafe rechnen.
Weiße Titelseite: Die Liberale Tageszeitung SMEDas Gesetz passt in die seit den Parlamentswahlen vom Sommer 2006 stark veränderte politische Landschaft der Slowakei. Seither führt der Populist Robert Fico, der sich als Sozialdemokrat bezeichnet, eine Regierung, in der auch der frühere autokratische Premier Vladimir Meciar und die rechtsextreme Nationalpartei sitzen. Speziell wegen der Zusammenarbeit mit der Nationalpartei ist die Fico-Partei schon vor Monaten von den Europäischen Sozialisten in Brüssel suspendiert worden. Premier Fico hat sich wiederholt mit den kritischen Medien des Landes angelegt, die ihrerseits im internationalen Vergleich Lob ernten. Erst jüngst wurde die Slowakei als eines der Länder mit dem größten Maß an Pressefreiheit gewürdigt. Der Journalistenverband der Slowakei hatte vor Monaten schon Premier Fico um eine grundsätzliche Unterredung ersucht. Eine Antwort erhielt der Verband bis heute nicht.„Unser Bestreben ist es, die Wahrheit zu suchen und zu schreiben. Auch dann, wenn es einigen nicht passt“, fasste der Chefredakteur der Qualitätszeitung „Sme“, Matus Kostolny, in einem Kommentar der Donnerstag-Ausgabe das Credo seiner Redaktion zusammen. Die Aktion mit den weißen Titelseiten sei eine der letzten Möglichkeiten, die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, dass das neue Pressegesetz das „Vorspiel für das Ende wahrhaft freier Medien in der Slowakei“ sei.Der Entwurf des Pressegesetzes hat noch einen zweiten wichtigen innen- wie außenpolitischen Aspekt: Die bürgerliche Opposition weigert sich seinetwegen, dem EU-Vertrag von Lissabon im Parlament zuzustimmen. Ohne deren Stimmen würde die Ratifizierung des wichtigen Dokuments scheitern. Die Regierung sah sich wegen der unnachgiebigen Haltung der Opposition bereits mehrfach gezwungen, die Abstimmung über den Vertrag von Lissabon wieder von der Tagesordnung des Nationalrates – des Parlaments - zu nehmen. Das hat auch in Brüssel mittlerweile für Unruhe gesorgt.Oppositionsführer Mikulas Dzurinda räumt freimütig ein, dass man den EU-Vertrag als eine Art Geisel betrachte. Die Pressefreiheit sei aber ein so hohes Gut, dass man zu ihrer Erhaltung auch ungewöhnliche Schritte gehen müsse. Es gebe keinerlei Grund, an der prinzipiellen Zustimmung des bürgerlichen Lagers zu Lissabon zu zweifeln; schließlich sei es die heutige Opposition gewesen, die der Slowakei nach den Jahren der internationalen Isolierung mit grundlegenden Reformen erst den Weg in die EU frei gekämpft habe.Die Zeitungen in der Slowakei sind Ärger mit den jeweils Herrschenden gewöhnt. Vor etwa zehn Jahren hatten sie schon einmal eine ähnliche Aktion wie die vom Donnerstag unternommen. Mit weißen Titelseiten protestierten sie damals gegen die Versuche des seinerzeitigen Regierungschefs Meciar, die Presse zu knebeln. Erfolgreich: Meciar knickte letztlich vor der Macht der Medien ein. Glaubt man den Presseverantwortlichen von heute, dann wird am Ende auch Fico einlenken müssen, wenn er sich und die Slowakei international nicht in Misskredit bringen wolle. „Dann“, so einer der aufgebrachten Chefredakteure, „ müsste er es sich gefallen lassen, mit Leuten wie dem diktatorischen weißrussischen Präsidenten Lukaschenko in einem Atemzug genannt zu werden.“ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87


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