Rumänien

„Deutschland profitiert am meisten“

Bukarest (n-ost) - Am Dienstag (16. Mai) wird der Fortschrittsbericht der EU-Kommission zu den Reformanstrengungen Rumäniens und Bulgariens vorgelegt. Bislang ist der Beitritt beider Länder für 2007 geplant, doch er kann bei unzureichender Erfüllung der Aufnahmekriterien um ein Jahr verschoben werden. Unsere Mitarbeiterin Annett Müller sprach in Bukarest mit dem 37-jährigen rumänischen Außenminister Mihai Razvan Ungureanu über den schwierigen Weg Rumäniens in die EU.

Frage: Wie sicher sind Sie sich, dass Brüssel den Beitritt Rumäniens für 2007 befürwortet?

Ungureanu: Ich bin überzeugt, dass Rumänien ab Januar 2007 zur EU gehören wird. Wir haben der EU-Kommission ehrlich über unsere Erfolge bei der Umsetzung der Aufnahmekriterien berichtet, und nicht verschwiegen, was noch zu tun ist. Das beweist der EU-Kommission und dem Europäischen Rat, dass wir an einem „Qualitäts-Beitritt“ interessiert sind und nicht an der politischen Geste, die fünfte EU-Erweiterungswelle fristgerecht abzuschließen. Wir wissen aber auch, dass unser EU-Beitritt nicht automatisch die vollständige Integration bedeutet, solch ein Prozess geht nicht über Nacht vonstatten, sondern Schritt für Schritt.

Frage: Haben Sie den Eindruck, dass Brüssel strengere Aufnahmekriterien bei Rumänien angelegt hat, als bei den Beitrittskandidaten im Jahr 2004?

Ungureanu: Rumänien ist für seinen EU-Beitritt besser vorbereitet als manches Land, das bereits bei der EU-Erweiterungswelle im Jahr 2004 mit dabei war. Aber die zusätzlichen Anstrengungen, die die EU von uns verlangt, heißen wir willkommen, weil sie uns besser für den Beitritt vorbereiten lassen. Dass die Kriterien strenger werden, ist ein natürlicher Prozess für mich. Ich bin mir sicher, dass mögliche neue EU-Beitrittskandidaten weitaus mehr und strengere Aufnahmekriterien zu erfüllen haben, als Rumänien und Bulgarien.

Frage: Sollte Rumänien seine Beitritts-Hausaufgaben nicht erfüllen, kann der Beitritt um ein Jahr verschoben werden. Politikexperten bezeichnen diesen Aufschub als wirkungslos und prognostizieren, dass Rumänien das Jahr ohne weitere Reformen absitzen wird. Wie sehen Sie das?

Ungureanu: Wir gehen von einem Beitritt im Jahr 2007 aus. Das kann man politische Sturheit nennen, aber wir haben uns bewusst keine Drehbücher für den Fall zurechtgelegt, dass der Beitritt auf 2008 verschoben wird. Wir wollen den Erfolg verwalten und nicht den Misserfolg – darauf konzentrieren sich all unsere Anstrengungen. Wir sind bei unseren Reformen auch an einem unumkehrbaren Punkt gelangt, wir sind gezwungen, sie weiterzuführen. Das wird auch die Skeptiker, die es zu unserem EU-Beitritt gibt, überzeugen.

Frage: Die EU-Gemeinschaft wirkt erweiterungsmüde. Es gibt viele Stimmen, die sagen, nach dem Beitritt Rumäniens, Bulgariens wird die EU sobald keine neuen Länder aufnehmen. Will sich Rumänien nach seinem Beitritt für eine neue Erweiterungsrunde stark machen?

Ungureanu: Ohne eine EU-Verfassung wird es in Zukunft keine klaren Erweiterungsregeln geben können, und die EU würde sich damit in politischen und kulturellen Debatten verlieren. Eine neue Erweiterungsrunde, die auch ganz entscheidend von der Stimmung der Menschen in der EU abhängen wird, erscheint mir derzeit sehr unwahrscheinlich. Als die Franzosen und die Holländer den EU-Verfassungsentwurf abgelehnt haben, wurde klar, die EU ist vorerst am Ende ihrer Erweiterungsfähigkeit angelangt, sie muss sich institutionell neu formieren und sie braucht eine Pause, um sich politisch und ökonomisch zu stabilisieren.

Frage: Wird sich Rumänien dennoch für den EU-Beitritt von seinen Nachbarländern, wie der Republik Moldau, der Ukraine oder Serbien-Montenegro einsetzen?

Ungureanu: Der künftige Finanzplan der EU von 2007-2013 ist auf ein Europa mit 27 Mitgliedern ausgelegt. Schon aus dieser Sicht wird die EU-Erweiterung für diesen Zeitraum kein Thema sein. Einerseits werden die EU-Verhandlungen mit den westbalkanischen Ländern, mit der Republik Moldau, mit der Türkei oder mit der Ukraine diese Länder zu Reformen ermutigen. Das europäische Projekt ist der Katalysator für diese Regionen und ein Garant für ihre politische Stabilität.
Andererseits profitieren auch die westlichen EU-Staaten von der Erweiterung. Die Osterweiterung bringt nicht nur ökonomische, sondern auch politische Vorteile. Deutschland und Österreich haben seit dem Jahr 2004 nicht mehr die EU-Außengrenzen zu sichern. Diese Aufgabe wird Rumänien mit dem EU-Beitritt übernehmen, und das ist keine angenehme Aufgabe. Natürlich sind wir daran interessiert, dass sich unsere Nachbarstaaten in Richtung EU orientieren. Das werden sie nur durch Verhandlungen, die nicht immer zwingend zu einem Beitritt führen müssen.

Frage: Rumänien spricht sich für den EU-Beitritt der Türkei aus. Wird Rumänien an dieser Position festhalten?

Ungureanu: Ich erinnere mich an die Rede des früheren deutschen Außenministers Joschka Fischer, der aus strategischen Gründen für den EU-Beitritt der Türkei plädierte. Auch wir sagen, Europa sollte nicht nur auf seinem eigenen Kontinent agieren, sondern seine geografische Lage entdecken und von hier aus eine globale Rolle spielen. Der Beitritt der Türkei wäre sowohl für das Land als auch für die EU ein riskantes Projekt und zugleich eine Prüfung, die beide Seiten bestehen oder nicht bestehen. Einen Weg dazwischen gibt es nicht. Ich glaube, die Türkei verdient die Chance, die sie sich wünscht. Aber es wäre zu früh für Rumänien, zu sagen, wir wollen die Türkei oder andere Länder in der Europäischen Union. Wir haben selbst noch sieben Monate bis zum EU-Beitritt.

Frage: Die Parlamente aller EU-Staaten müssen einzeln dem rumänischen-bulgarischen Beitrittsvertrag zustimmen. Von Seiten der CDU/CSU gab es in den vergangenen Monaten kritische Stimmen. Wie sicher sind Sie sich, dass der Bundestag den Beitrag ratifizieren wird?

Ungureanu: Wir haben sehr gute Signale dafür und der neue Fortschrittsbericht der EU-Kommission wird den deutschen Parlamentariern den gewünschten Schwung geben, unserem Beitritt zuzustimmen. Natürlich wird sich Rumänien durch den EU-Beitritt nicht über Nacht in ein zweites Deutschland verwandeln; doch Rumänien ist die beste Investition, die die EU machen konnte. Unsere Wirtschaft wächst seit Jahren ungebremst und am meisten profitieren Deutschland und Österreich davon.


Infos für Kasten:

Der 37-jährige Außenminister Mihai Razvan Ungureanu studierte Historie an der Universität „Alexandru Ion Cuza“ in der Stadt Iasi; es folgten zahlreiche Forschungsaufenthalte in Deutschland, Israel, Großbritannien und in den USA. Ungureanu war bereits 1998 bis 2001 als Staatssekretär im rumänischen Außenministerium tätig. Im Jahr 2004 übernahm er das Amt des Außenministers. Er gehört zu den jüngsten Ministern in der rumänischen Regierung.
Rumänien und Bulgarien haben am 25.4.2005 mit der EU einen gemeinsamen Beitrittsvertrag unterschrieben. Sie sind aber nicht wie siamesische Zwillinge aneinander gebunden, sondern könnten entkoppelt werden, falls eines der Länder erst 2007, das andere erst 2008 als von der EU als beitrittswürdig erachtet wird. Am 16. Mai 2007 wird die EU-Kommission ihre neuen Fortschrittsberichte vorstellen und möglicherweise auch eine Empfehlung aussprechen, ob der Beitritt 2007 vollzogen werden oder um ein Jahr verschoben werden soll. Die Aufnahme von Rumänien und Bulgarien wird die fünfte Erweiterungsrunde der EU sein.


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