Türkei

Flughafen Istanbul: Mega-Projekt um jeden Preis

Es ist ein Projekt der Superlative: In Istanbul entsteht derzeit der größte Flughafen der Welt mit einer Fläche so groß wie 2.000 Fußballstadien. 350 Ziele weltweit soll er bedienen und jährlich 150 Millionen Passagiere befördern – mehr als doppelt so viele wie Frankfurt mit „nur“ 61 Millionen im vergangenen Jahr.

„Es ist das wichtigste Projekt der türkischen Republik“, sagt Yusuf Akcaoglu, Firmenchef des Konsortiums IGA, das vor drei Jahren den Zuschlag für den Bau des dritten Istanbuler Flughafens erhielt. „Er wird unser Land zum Luftfahrtzentrum der Welt befördern, zum wichtigsten Drehkreuz zwischen Ost und West.“


Tausende Baulaster begradigen die Landschaft

Die beteiligten Firmen stammen aus dem engsten Umfeld der türkischen AKP-Regierung. Präsident Recep Tayyip Erdogan selbst hatte den Anstoß zu dem Bau gegeben. Noch am vergangenen Montag inspizierte er mit vier Ministern die gigantische Baustelle. Einen Tag später darf auch ein internationales Kamerateam auf das Gelände und wird von der Baufirma herumgeführt.

Das Areal liegt an der Schwarzmeerküste im Norden von Istanbul. Tausende Baulaster begradigen die eigentlich hügelige Landschaft. Die Pfeiler der Terminalhalle ragen bereits in den Himmel, dazwischen Baukräne so weit das Auge reicht. Über 13.000 Arbeiter schuften hier im Schichtdienst, 24 Stunden am Tag. Der Zeitdruck ist riesig, denn schon in zwei Jahren soll der Flughafen – zumindest teilweise – eröffnet werden. So hat es Erdogan angeordnet.

Dabei war der Widerstand gegen das Projekt zu Beginn groß. Experten warnten, dass das Mega-Projekt die letzten Wälder und Trinkwasserreservoirs Istanbuls zerstören und das ohnehin fragile Ökosystem der 14-Millionen-Metropole immens gefährden würde. Zudem sei der Ort wegen starker Winde und Zugvögelrouten vollkommen ungeeignet für einen Flughafen. „Selbst die Stadtverwaltung bestimmte noch 2009, dass diese Region nicht bebaut werden darf, weil sie die Lunge der Stadt ist“, erklärt Aktivist Efe Baysal. „Doch diese Pläne wurden zu den Akten gelegt. Die jetzige Umweltverträglichkeitsstudie ist ein Witz“.


Die Medien bilden Kritik nicht mehr ab

Baysal gehört zu einer bunt gemischten Gruppe von Naturschützern, Anwohnern und Wissenschaftlern, die sich den Schutz der Wälder zur Aufgabe gemacht hat. Sie sehen sich als Kinder der Gezi-Proteste. Das Flughafenvorhaben war damals ein Mitauslöser für die landesweiten Demonstrationen von 2013.

Doch ihre Kritik wird in den überwiegend regierungsnahen Medien kaum noch abgebildet und von Firmenchef Akcaoglu rigoros fortgewischt. „Das sind Falschinformationen. Hier waren vorher keine Wälder, sondern Krater früherer Kohleminen. Diese Region werten wir jetzt auf, beleben sie, schaffen Hunderttausende Arbeitsplätze. Die Anwohner haben quasi im Lotto gewonnen – ihre Grundstücke werden jetzt sehr wertvoll.“

Viele Bewohner der umliegenden Dörfer sehen das anders. Ein Kellner in einem Café, der seinen Namen nicht nennen will, sprudelt nur so hervor: „Unsere Felder wurden zwangsenteignet, wir haben einen lächerlichen Preis dafür erhalten. Die Landwirtschaft ist am Ende. Wegen des wahnsinnigen Staubs und Motorenlärms kommen wir nicht mehr zur Ruhe“.


Der Pressesprecher ruft an

In der Umgebung des Flughafens werden achtspurige Autobahnen gebaut, eine neue, dritte Bosporus-Brücke soll im Sommer eingeweiht werden. Auf Wunsch Erdogans soll unweit gar ein zweiter, künstlicher Bosporus nebst Metropole entstehen. „Schon bald werden wir hier mitten in der Großstadt sein“ sagt der Kellner mit bitterer Stimme.

Bewohner des nahegelegenen Dorfes Yeniköy sind gegen die Enteignungen vor Gericht gezogen. Vom höchsten Punkt der Ortschaft aus blickt man auf die riesige Baustelle, die sich zwischen grünen Hügeln und Schwarzmeerküste ausgebreitet hat. Vor diesem Panorama will ein Landwirt dem internationalen Kamerateam spontan ein Interview geben. Doch noch bevor das Mikrofon angeschaltet ist, kommt ein Anruf von der Flughafenfirma. Ein aufgelöster Pressesprecher fragt, was das Team dort zu suchen hätte, warum man dies hinter dem Rücken der Firma täte.

Den Einwand des Teams, dass es hier nur seine journalistische Pflicht erfüllt und beide Seiten anhört, will er nicht akzeptieren. Kurze Zeit später rücken zwei Polizisten der Gendarmerie an, nehmen alle Personalien auf. Das sei eine sensible Gegend, deshalb seien Fernsehaufnahmen unerwünscht, sagen sie.

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Für Bildmaterial können Sie sich beispielsweise an die Flughafenfirma IGA - Istanbul New Airport wenden, Website des Flughafens iGA: igairport.com


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