Bulgarien

Wenn Oma-Sein Geld bringt

In bulgarischen Parks und auf Spielplätzen trifft man immer häufiger Omas und Opas, die ihr Enkelkind in der Hand führen, besonnen etwas erklären oder Babys mit viel Geduld das unbeliebte Gemüsepüree einverleiben. In Bulgarien ist es Tradition, dass Großeltern beim Großziehen ihrer Enkel helfen. Was jung und alt in letzter Zeit jedoch viel stärker um die Wiege des Nachwuchses versammelt, ist ein neues Regierungsprojekt, das den Großeltern ermöglicht, vom neunten Monat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes umgerechnet 110 Euro im Monat für die Betreuung der eigenen Enkelkinder zu bekommen. So kommen die Verwandten in den Genuss des Elterngeldes, das in Bulgarien der Mutter zusteht, im Gegenzug kann die Mutter wieder zurück in den Beruf.

Die Initiative soll ältere Menschen sozial anbinden und fördern, vor allem ist sie jedoch an die Mütter gerichtet: Allein in diesem Jahr will die Regierung damit mehr als 2.700 Mütter auf den Arbeitsmarkt zurückholen, so steht es in der einschlägigen Anordnung der Behörde. Dadurch erhofft man sich mehr Gleichberechtigung für die Frauen, die zwischen Karriere und Familie zerrissen sind. Wenn sie während des Mutterschaftsurlaubs den Spagat zwischen Kind und Beruf bislang wagten, taten dies viele mit nagenden Gewissensbissen.

Denn in den überfüllten öffentlichen Krippen und Kindergärten ist die frühkindliche Betreuung auf einem kläglichen Niveau stecken geblieben. Programme und Erzieherausbildung hinken weit hinter europäischen Normen hinterher. Das weiß man im Sozialministerium sehr gut und kompensiert die ausbleibende Reform mit Programmen wie diesem.


Oma und Enkelkind. / Ivan Stoimenov, n-ost


„In den Kitas gilt immernoch das sozialistische Erziehungscredo, die Kinder zu versorgen und zu dressieren. Man tut sich bequem und nennt es 'den Kleinen Disziplin- und Ordnungssinn beibringen'. Mein Kind ist aber kein Soldat“, sagt Maria Arnaudova. Sie ist Dozentin an der Universität und eine von jenen Müttern, die bei der Erziehung ihrer Tochter keine Kompromisse machen wollten. Dafür riskierte sie durch eine zweijährige Auszeit lieber ihre wissenschftliche Tätigkeit.

Nun ist Maria Arnaudova eine der ersten, die von der neuen Initiative des Sozialministeriums Gebrauch macht. Ihre Schwiegermutter kümmert sich tagsüber um die Tochter Bojana und erledigt einen Großteil der Hausarbeit, Maria kann ruhig zurück zu ihren Studenten und Orientalistikbüchern. Angst, wegen fehlender Qualifizierung im Beruf zurückzufallen, hat sie nicht mehr.

„Unsere Bojana ist ein schwieriges Kind, vor Fremden hat sie Angst, Essen mag sie oft nicht und ihr Medikamente zu geben, ist immer ein harter Kampf“, erählt Maria Arnaudova. „Die Oma aber kommt mit ihr zurecht“, sagt sie zufrieden. Ihrer großen Familie geht es nun auch wirtschaftlich wieder viel besser. Maria und ihr Mann können mit einem zweiten vollen Gehalt von 550 Euro rechnen und brauchen die ältere Dame nicht mehr zu unterstützen. Früher hat die junge Familie auch die Heizung und Medikamente für die Oma bezahlt.

Dem ersten Eindruck nach erscheint „Mutterschaft fördern“ also wie ein Wundermittel, das zahlreiche soziale Probleme mit einem Schlag beseitigt. Das sei es nicht, viel mehr handele es sich um eine vorläufige Lösung komlizierter gesellschaftlicher Probleme, erklärt die Sozialpädagogin Albena Ignatova. Die frühkindliche Erziehung setze weit mehr als bloßes Babysitten voraus. Und da die pädagogischen Konzepte der vom Marxismus-Leninismus geprägten Großeltern und der Generation von der chaotischen Nachwendezeit weit auseinander gingen, führe das zu Unzufriedenheiten und Konflikten bei den Erwachsenen, die nicht förderlich für die Kinder seien, meint Ignatova. Junge Familien wollten sich vom traditionellen Familienmuster der engen Verbundenheit dreier Generationen abnabeln, vertrauten jedoch professionellen Babysittern nicht ausreichend.

Maria und ihr Mann nehmen, wie viele andere junge Eltern, Reibereien mit der Großmutter in Kauf, weil das Oma-Modell immer noch die bessere Alternative zu den schlechten Horts und den Dienstleistungen fremder Menschen ist. Die Oma hingegen sagt: „Besser sollte es der Staat so regeln, dass Eltern Kleinkinder so viel wie möglich selbst betreuen.“ Das klingt wie ein Wunsch an die Sozialpolitiker der Zukunft.


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